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Gesund gehen - Nutzen Sie Ihre Faszien!

 

Dass das Gehen auf zwei Beinen eine komplexe Fertigkeit ist, weiß jeder, der selbst Kinder hat. Der Weg von den ersten wackeligen Gehversuchen zu einem sicheren Gehen und Laufen ist ein herausfordernder Lernprozess, begleitet von unzähligen Missgeschicken.

 

Die Koordination der Bewegungsabläufe beim Gehen bezieht viele Körperstrukturen mit ein, schon deshalb, weil wir uns bei jeder kleinsten Veränderung mit der Schwerkraft arrangieren müssen, um nicht aus dem Gleichgewicht zu geraten.

Das muss auch unser Gehirn erstmal lernen.

Na gut, das haben wir ja nun als Kinder gemeistert, mögen Sie sagen. Wir kommen doch von A nach B, jeden Tag. Warum sollten wir über unser Gehen nachdenken und irgendetwas daran ändern? 

 

Beobachten Sie doch einmal Ihre Mitmenschen. Wer geht geschmeidig, elastisch und mühelos? Wer macht einen eher angestrengten, vielleicht hölzernen, steifen Eindruck? Sie werden auch feststellen, dass viele Menschen nicht rund gehen. Dass vor allem bei vielen älteren Menschen beim Gehen kaum noch Bewegung im Oberkörper stattfindet. Womöglich haben sie sogar die Hände hinter dem Rücken ineinander gelegt und blockieren damit die Bewegung ihres Schultergürtels, während sich ihr Blick nach unten auf den Boden richtet.

Viele Menschen haben das gesunde Gehen im Lauf der Jahre einfach verlernt. Das mag mit Verletzungen, mit Schmerzen in Gelenken zu tun haben, häufig aber ist es eine Folge davon, dass Menschen ihren Körper und seine Bewegungen nicht spüren und wahrnehmen. 

 

Gesundes Gehen nimmt den ganzen Körper mit

 

 

Gesundes Gehen ist schwungvoll, es nutzt die Faszien von den Füßen und Beinen durch das Becken und den Rücken, die Schultergürtel und Arme. Menschen, die joggen, können das sicher nachvollziehen.

 

Ich möchte Sie einladen, sich auch beim Gehen öfters mal dieser geschmeidigen Bewegung bewusst zu werden.

 

Versuchen Sie dabei anfangs bitte, an nichts anderes zu denken. Schieben Sie Gedanken über all die Dinge, die Sie an diesem Tag noch vorhaben oder die Sie beschäftigen, beiseite. Versuchen Sie überhaupt, nicht allzuviel zu denken, sondern zunächst einfach das zu spüren, was bei Ihnen passiert.

 

 

Die Bewegungen beim Gehen bewusst wahrnehmen

Gehen ist tatsächlich eine Ganzkörper-Bewegung, noch dazu eine der gesündesten Bewegungsformen für uns Menschen überhaupt. Das liegt sicher daran, dass Gehen schlichtweg artgerecht ist, aber nun haben es auch Wissenschaftler festgestellt.

  • Stellen Sie sich aufrecht hin und atmen Sie einige Male ruhig, langsam und tief durch die Nase ein und aus.
  • Richten Sie Ihren Blick nach vorn auf den Horizont und nicht nach unten.
  • Beginnen Sie zu gehen. Wenn Sie das rechte Bein nach vorne führen, können Sie spüren, wie Ihr Becken auf dieser Seite ebenfalls nach vorn kommt und die Lendenwirbelsäule sich etwas nach links dreht. Beim nächsten Schritt auf der anderen Seite. Nehmen Sie die Bewegung ihrer Wirbelsäule mit jedem Schritt bewusst wahr
  • Wie weit nach oben spüren Sie diese Bewegung? Sie werden bemerken, dass sich nicht die gesamte Wirbelsäule in die gleiche Richtung dreht. Etwa in der Mitte des Rückens, im unteren Bereich der Brustwirbelsäule, findet eine Gegendrehung statt. Das ermöglicht, dass Kopf und Blick beim Gehen gerade nach vorne ausgerichtet bleiben können. (Um diese Bewegung noch deutlicher zu spüren, können Sie zuhause auf dem Boden eine einfache Übung machen: Setzen Sie sich auf den Boden, Beine nach vorn gestreckt. Fangen Sie nun an, auf ihrem Becken zu "gehen". Vorwärts und rückwärts!)
  • Spüren Sie Ihre Schultern, während Sie locker (und auf zwei Beinen) weiter gehen. Wie beteiligen sich Schultergürtel und Arme an der Gehbewegung? Nehmen Sie wahr, ob die Schulterblätter frei auf den Rippen gleiten. Sie können spüren, dass die Arme und der Schultergürtel gegengleich zu Beinen und Becken arbeiten. Das heißt: einmal rechtes Bein und linke Schulter nach vorn, dann linkes Bein und rechte Schulter. Man spricht von kontralateraler Bewegung. 
  • Je freier die kontralaterale Bewegung ist, desto mehr Bewegung kommt in den ganzen Körper.

Gesundes, elastisches Gehen mithilfe der Faszien

Jetzt verfeinern wir unsere Wahrnehmung und die Geh-Bewegung. Wir nähern uns dem Faszien-Gang an - der Art zu gehen, die sich die Faszien zunutze macht, sie gleichzeitig trainiert und die Bewegung müheloser werden lässt, weil Muskeln weniger arbeiten müssen. Es hilft für den Anfang, zügig zu gehen. Dann denken Sie nicht so viel nach und sind gefeit davor, die Bewegung muskulär zu führen....

  • Lassen Sie die Arme beim Gehen wirklich frei pendeln. Strengen Sie ihre Arme nicht an, sondern lassen sie frei. Die Schultergelenke freuen sich darüber, denn die Gelenkkapseln bekommen durch das Eigengewicht der Arme einen wohltuenden Dehnimpuls - der fehlt vor allem Menschen mit Schreibtisch-Job. (Deshalb auch besser nicht mit nicht mit Stöcken Walken, sondern die Arme frei lassen!)
  • Auch das Pendeln der Beine ist wichtig. Die Beine können tatsächlich recht mühelos von hinten nach vorne pendeln, so dass wir weniger muskuläre Aktivität brauchen. Unser Körper ist dafür gemacht, allerdings sind die gängigen Schuhe dabei oft ein Hindernis. Am besten können Sie diese Pendel-Bewegung beim Gehen in flachen Schuhen mit flexibler Sohle spüren oder natürlich barfuß. Wenn Sie also gehen, spüren Sie, wie sich der hintere Fuß (vor allem mit dem Großzeh) vom Boden abdrückt. Wenn das kaum spürbar ist, verstärken Sie das Abdrücken etwas und lassen das Bein nach vorn pendeln. Nicht führen, sondern pendeln lassen. Eine Herausforderung?

Der Psoas-Muskel beim Gehen

 

Vielleicht hilft Ihnen ein kleiner Ausflug in die Anatomie. Vielleicht haben Sie schon vom Psoas-Muskel gehört? Er ist auch der wichtigste Hüftbeuge-Muskel.

Der Psoas verbindet direkt Bein und Wirbelsäule. Von den jeweiligen Querfortsätzen (und Bandscheiben) der Lendenwirbelsäule verläuft er zum Kopf des Oberschenkelknochens (zum "kleinen Rollhügel"). Die Beine hängen quasi an diesen Muskeln auf beiden Seiten der Wirbelsäule. Um sich das besser vorzustellen und zu spüren, verlagern Sie doch mal im Stehen das Gewicht auf ein Bein und lassen das andere pendeln, frei schwingen. Auch die Psoas-Gegend wird leider durch Bewegungsmangel und sitzende Tätigkeit beeinträchtigt, verkürzt und fest. Viele Menschen gehen und laufen deshalb nicht mehr so leichtfüßig und effizient.

 

Um bei aller Bemühung ein Gefühl für das schwungvolle Faszien-Gehen zu bekommen, übertreiben Sie ruhig! Bewegen Sie das Becken beim Gehen übertrieben, nehmen Sie die Schultern übertrieben mit und lassen sie Arme bewusst weit nach hinten und vorn schwingen. Sie können auch zunächst damit anfangen, bewusst die Beine bei jedem Schritt mit Muskelkraft anzuheben, für zwei Minuten oder so, um sie anschließend erschöpft und erleichtert am Psoas schwingen zu lassen. 

 

Ich weiß, es ist schwierig, das alles "richtig" zu machen, ohne sich anzuspannen und allzuviel mit dem Verstand zu regeln. Deshalb nicht alles auf einmal! Schritt für Schritt erkunden und verfeinern. Es lohnt sich wirklich, gesund zu gehen mit den Faszien. Es kommt zu einer fließenden Bewegung durch den ganzen Körper, und jeder Körperteil mit seinen Faszien bekommt dabei einen positiven Impuls. Hunderte positiver Botenstoffe werden bemi gesunden Gehen ausgeschüttet. Man fühlt sich einfach gut, wenn man so geht: schwungvoll, pendelnd, mühelos. Und tatsächlich braucht das Gehen dann weniger Energie, die haben wir für wichtigeres zur Verfügung :-)

 

Wenn Sie in einzelnen Körperbereichen spüren, dass "es hängt", dann können wir gemeinsam mit Rolfing-Sitzungen Abhilfe schaffen. Ich werde in Kürze auch kleine Workshops zum Thema anbieten. Und wir können im Rahmen unserer Sitzungen auch extra das Gehen draußen in der Natur erkunden.

 

Ich wünsche Ihnen zunächst viele schwungvolle Spaziergänge im nahenden Frühling bei Sonnenschein :-).

Vielleicht interessiert Sie zusätzlich mein Blog-Artikel "In 7 Schritten gesund gehen".

 


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